Zusammenfassung des Urteils IV 2009/478: Versicherungsgericht
Der Beschwerdeführer A. meldete sich 2001 für IV-Leistungen an, aufgrund von Alkoholkrankheit und anderen gesundheitlichen Problemen. Nach Ablehnung seines Leistungsbegehrens im Jahr 2002 stellte er 2004 erneut einen Antrag. Es folgten weitere medizinische Berichte und Untersuchungen. Die IV-Stelle wies schliesslich 2009 das Rentenbegehren ab, woraufhin A. Beschwerde einreichte. Es wurde festgestellt, dass A. trotz seiner Gesundheitsprobleme in einer angepassten Tätigkeit zu 100% arbeitsfähig ist. Der Invaliditätsgrad wurde auf 15% festgelegt, und die Beschwerde wurde abgewiesen. Die Gerichtskosten wurden auf Fr. 600.-- festgesetzt, von denen A. aufgrund der bewilligten unentgeltlichen Rechtspflege befreit wurde.
Kanton: | SG |
Fallnummer: | IV 2009/478 |
Instanz: | Versicherungsgericht |
Abteilung: | IV - Invalidenversicherung |
Datum: | 07.12.2011 |
Rechtskraft: | - |
Leitsatz/Stichwort: | Entscheid Art. 16 ATSG. Einkommensvergleich in Form eines Prozentvergleichs mit zusätzlichem Abzug vom Tabellenlohn (Entscheid des Versicherungsgerichts des Kantons St. Gallen vom 7. Dezember 2011, IV 2009/478). |
Schlagwörter : | IV-act; Arbeit; Hilfsarbeit; Invalidität; IV-Stelle; Validen; Arbeitsfähigkeit; Gesundheit; Beschwerdeführers; Rente; Verfügung; Chauffeur; Invalideneinkommen; Alkoholsucht; Herzkrankheit; Einkommen; Invaliditätsgrad; Klinik; Gesundheitszustand; Situation; Recht; Zugführer; Branche; Gerichtsgebühr |
Rechtsnorm: | Art. 123 ZPO ;Art. 16 ATSG ;Art. 8 ATSG ; |
Referenz BGE: | - |
Kommentar: | - |
Vizepräsident Joachim Huber, Versicherungsrichterin Marie-Theres Rüegg Haltinner, Versicherungsrichter Martin Rutishauser; Gerichtsschreiber Ralph Jöhl
Entscheid vom 7. Dezember 2011 in Sachen
A. ,
Beschwerdeführer, gegen
IV-Stelle des Kantons St. Gallen, Postfach 368, 9016 St. Gallen,
Beschwerdegegnerin, betreffend
Rente Sachverhalt:
A.
meldete sich am 27. Juni 2001 zum Bezug von IV-Leistungen an (IV-act. 2). Er hatte ursprünglich eine Ausbildung als Kondukteur absolviert. Diesen Beruf hatte er längere Zeit ausgeübt. Von 1994 bis 2000 war er dann als Chauffeur Kategorie B tätig gewesen. Dabei hatte er gemäss den Angaben der B. AG Fr. 42'000.-verdient (IVact. 6). Dr. med. C. , Allgemeine Medizin, berichtete der IV-Stelle am 24. August 2001 (IV-act. 8), der Versicherte leide an einer Alkoholkrankheit auf dem Boden einer chronischen Depression und an einer koronaren Herzkrankheit bei St. n. Myocardinfarkt 1996 und fünffachem aortokoronarem Bypass 1996. Als "Getränkechauffeur" sei der Versicherte zu 100% arbeitsunfähig, in einer adaptierten Tätigkeit zu 100% arbeitsfähig. Der Versicherte fand eine unbefristete Anstellung (IVact. 14). Die IV-Stelle verglich das Einkommen des Versicherten als Chauffeur mit dem Einkommen an dieser neuen Stelle und ermittelte so einen Invaliditätsgrad von 19% (IV-act. 15). Am 8. März 2002 wies sie das Leistungsbegehren des Versicherten ab (IVact. 17). Dieser meldete sich am 15. März 2004 erneut zum Bezug einer Invalidenrente an (IV-act. 18). Dr. C. berichtete am 22. Mai 2004 (IV-act. 27), neben der
chronischen Herzkrankheit bestehe eine chronische Depression. Phasenweise betreibe der Versicherte einen Aethylabusus. Die Leistungsfähigkeit sei psychisch reduziert (Arbeitsfähigkeit 50% in jeder beruflichen Tätigkeit). Bei einer ihn befriedigenden Arbeit wäre der Versicherte aber zu 100% arbeitsfähig. Die Anstellung hatte am 16. Oktober 2002 geendet (IV-act. 30). Dr. C. gab am 10. August 2004 ergänzend an (IV-act. 34), im Juni 2003 sei der Versicherte schwer abgestürzt, so dass eine Entzugsbehandlung notwendig gewesen sei. Seither nehme er regelmässig Antabus ein. Von Seiten der Herzkrankheit sei er beschwerdefrei. Dr. med. D. vom RAD hielt am 27. September 2004 fest (IV-act. 38), die Einschränkungen seien mit IV-fremden Gründen belegt worden. Es bestehe eine Arbeitsfähigkeit adaptiert von 100%. Der Eingliederungsberater der IV-Stelle notierte am 15. Dezember 2004 (IV-act. 44), er schliesse den Fall ohne Einkommensvergleich ab, da sich die attestierte Arbeitsfähigkeit seit 2002 nicht geändert habe. Mit einer Verfügung vom 31. Januar 2005 schloss die IV-Stelle die Arbeitsvermittlung ab (IV-act. 47). Am gleichen Tag teilte die IV-Stelle dem Sozialamt, das ein Drittauszahlungsbegehren gestellt hatte, mit, dass das Gesuch um berufliche Massnahmen und um eine Rente soeben abgewiesen worden sei (IV-act. 48).
B.
Am 11. Februar 2008 reichte die inzwischen bestellte Beiständin des Versicherten ein Früherfassungsformular ein (IV-act. 55). Am 14. März 2008 füllte sie auch ein Anmeldeformular aus (IV-act. 66). Dr. med. E. vom RAD erfuhr am 31. März 2008, dass der Versicherte einen Hirnschlag erlitten hatte und sich drei Hüftoperationen hatte unterziehen müssen (IV-act. 71). Dr. C. übermittelte am 2. April 2008 diverse medizinische Unterlagen (IV-act. 73). Gemäss einem Austrittsbericht der Klinik Valens vom 5. März 2008 waren folgende Diagnosen erhoben worden: Coxarthrose links (mit/ bei St. n. Hüft-TP links am 4.1.08, postoperativer Femurschaftfraktur links mit Schaftwechsel und Femurcerclage am 7.1.08, Trochanterrefixation mittels Zuggurt am 21.1.08), St. n. CVI (mit regredienter Hemiparese links), koronare Herzkrankheit (mit St.
n. Myocardinfarkt 01/96), chron. Aethylabusus (Antabuskur bis 12/07), chronische venöse Insuffizienz, Adipositas. Dr. med. F. vom RAD gab am 3. April 2008 an, der Gesundheitszustand des Versicherten sei noch nicht stabil (IV-act. 72). Am 28. Mai 2008 wurde dem Versicherten auch rechts eine Hüftendoprothese implantiert. Der entsprechende Verlauf war unauffällig (IV-act. 79). Dr. med. G. , FMH Allgemeine Medizin, berichtete der IV-Stelle am 11. Dezember 2008 (IVact. 85), folgende Diagnosen seien gestellt worden: Cerebrovaskulärer Insult rechts mit sensomotorischem Hemisyndrom, koronare und hypertensive Herzkrankheit, St. n. Myocardinfarkt und fünffachem AC-Bypass, intermittierendes Vorhofflimmern, pelvitrochantere Insuffizienz bei St. n. Hüft-TP links, intraoperativer Trochanter maiorAbriss, St. n. Hüft-TP rechts, Alkoholabhängigkeitssyndrom gegenwärtig abstinent. Dr. G. gab weiter an, es sei eine operative Refixation der Pelvistrochanterinsuffizienz vorgesehen. Das Spital Grabs berichtete am 15. Januar 2009 (IV-act. 87), die Revisionsoperation vom Dezember 2008 sei fehlgeschlagen. Die Klinik Valens gab anfangs März 2009 an (IV-act. 89), der Versicherte fühle sich schmerzfrei; er sei an zwei Unterarmgehstöcken in der Ebene für 100 m mobil. Die ausgeprägten Schwächen der Innenrotatoren seien übriggeblieben. Die Gehund Stehfähigkeit seien limitiert. Die Stabilisation des Beckens sei unter verschobenen Muskelansätzen (Trochanter) eingeschränkt. Dr. F. gab am 18. März 2009 an (IV-act. 90), eine Verschlechterung des Gesundheitszustands nach dem 8. März 2002 sei ausgewiesen. Der Gesundheitszustand sei noch instabil. Der Versicherte teilte der IV-Stelle am 28. April 2009 mit (IV-act. 94), dass keine fünfte Operation der linken Hüfte erfolgen werde. Dr.
med. H. berichtete am 4. Mai 2009 (IV-act. 96), der Versicherte habe keine Schmerzen, aber es bestehe ein Insuffizienzhinken auf der linken Seite. Die pelvitrochantere Insuffizienz werde lebenslang bestehen. Sie könne schmerzfrei verlaufen. Rein sitzende Arbeiten seien zu 100% zumutbar, wechselbelastende Tätigkeiten nur in einem Verhältnis stehend/sitzend von 20/80. Die Rotation im Sitzen sei möglich, allerdings nicht ganztags. Beim Heben/Tragen liege die Gewichtslimite bei 20 kg. Das Konzentrationsund das Auffassungsvermögen seien nicht eingeschränkt. Dr. med. I. vom RAD hielt am 7. August 2009 fest, es sei ein stabiler Zustand erreicht (IV-act. 102). Die Arbeitsfähigkeit adaptiert belaufe sich auf 100%. Die IV-Stelle verglich einen der Nominallohnentwicklung bis 2009 angepassten Lohn als Chauffeur für die B. AG von Fr. 47'448.-mit einem Durchschnittslohn als Hilfsarbeiter von Fr. 49'821.-- und ermittelte so einen Invaliditätsgrad von 0% (IV-act. 103). Mit einem Vorbescheid vom 9. Oktober 2009 teilte sie dem Versicherten mit, dass sie beabsichtige, das Rentenbegehren abzuweisen (IV-act. 106). Am 19. November 2009 erging die entsprechende Verfügung (IV-act. 111).
C.
Der Versicherte erhob am 18. Dezember 2008 Beschwerde gegen diese Verfügung (act. G 1). Er führte u.a. aus, er sei nicht bereit, die Verfügung ohne medizinischen Untersuch zu akzeptieren. Es sei nicht seine Schuld, dass nach seinem Hirnschlag bei der Hüftoperation links der Muskel nicht mehr habe herangezogen werden können, so dass er nun nicht mehr normal ohne Stock gehen könne. Das angerechnete zumutbare Invalideneinkommen sei nicht realistisch. Er reichte ein Zeugnis von Dr. G. ein, mit dem er ab dem 4. Dezember 2008 durchgehend zu 100% arbeitsunfähig geschrieben worden war (act. G 6.2).
D.
Die Beschwerdegegnerin beantragte am 11. Februar 2010 die Abweisung der Be schwerde (act. G 8). Sie machte geltend, der Beschwerdeführer sei aufgrund des Muskelabrisses links und aufgrund der linksbetonten Hemisymptomatik beim Gehen handicapiert. Deshalb sei nur für eine überwiegend sitzende Tätigkeit eine volle Arbeitsfähigkeit attestiert worden. Es sei nicht einzusehen, weshalb die
Gehbehinderung den Beschwerdeführer in jeder Art von Arbeit vollständig arbeitsunfähig machen sollte, wie Dr. G. angegeben habe. Es hätte ein zusätzlicher Abzug vom Tabellenlohn von 15% vorgenommen werden müssen, weil der Beschwerdeführer gehbehindert sei. Damit resultiere ein Invaliditätsgrad von 11%.
E.
Die Gerichtsleitung bewilligte am 16. Februar 2010 die unentgeltliche Rechtspflege in der Form der Befreiung von den Gerichtskosten (act. G 10).
F.
Der Beschwerdeführer wandte am 8. März 2010 u.a. ein (act. G 11), seine Psyche sei "am Ende". In letzter Zeit häuften sich die Suizidgedanken. Der Gedanke, Sozialhilfeempfänger zu sein, wachse ins Unermessliche.
G.
Die Beschwerdegegnerin verzichtete am 12. März 2010 auf eine Duplik (act. G 13).
H.
Im Mai 2011 wurde dem Beschwerdeführer erstmals die vorgezogene Altersrente ausgerichtet (act. G 15).
Erwägungen:
1.
Der zuständige Arzt des RAD ist von der Sachbearbeitung der Beschwerdegegnerin am
13. März 2009 gefragt worden, ob seit der abweisenden Verfügung vom 8. März 2002 eine Verschlechterung des Gesundheitszustands eingetreten sei. Anlass für diese Anfrage hat offensichtlich die Bestimmung in Art. 87 Abs. 4 IVV geboten, laut der nur auf eine Neuanmeldung eingetreten werden darf, wenn glaubhaft gemacht ist, dass sich der Invaliditätsgrad in einem anspruchserheblichen Ausmass geändert habe. Die Sachbearbeitung hat bei dieser Anfrage an den RAD allerdings nicht beachtet, dass die
letzte Abweisungsverfügung nicht vom 8. März 2002, sondern vom 31. Januar 2005 stammt. Dieses Versehen ist verständlich, denn in der Abweisungsverfügung vom 31. Januar 2005 ist nur vom Abschluss der Arbeitsvermittlung die Rede gewesen. Effektiv hat die Beschwerdegegnerin mit dieser Verfügung aber auch ein Rentenbegehren abgewiesen, wie in einem Schreiben vom gleichen Tag an das Sozialamt festgehalten worden ist. Tatsächlich hat damals neben beruflichen Eingliederungsmassnahmen auch ein Rentenbegehren zur Diskussion gestanden, das mangels einer Invalidität von wenigstens 40% nicht hat gutgeheissen werden können. Vergleichsbasis bei der gemäss Art. 87 Abs. 4 IVV zu stellenden Frage nach einer glaubhaften anspruchsrelevanten Sachverhaltsveränderung bildet deshalb die Situation am 31. Januar 2005. Da der cerebrovasculäre Insult nach diesem Datum aufgetreten ist und da auch die Hüftoperationen nach dem 31. Januar 2005 erfolgt sind, ist eine massgebende Sachverhaltsveränderung glaubhaft gemacht gewesen, so dass die Beschwerdegegnerin zu Recht auf die Neuanmeldung vom 11. Februar/14. März 2008 eingetreten ist.
2.
Gemäss Art. 16 ATSG ist für die Bestimmung des Invaliditätsgades das Erwerbseinkommen, das die versicherte Person nach dem Eintritt der Invalidität und nach der Durchführung der medizinischen Behandlung und allfälliger Eingliederungsmassnahmen durch eine ihr zumutbare Tätigkeit bei ausgeglichener Arbeitsmarktlage erzielen könnte (Invalideneinkommen), in Beziehung zu setzen zum Erwerbseinkommen, das die versicherte Person erzielen könnte, wenn sie nicht invalid geworden wäre (Valideneinkommen).
Grundlage der Bemessung des Valideneinkommens bildet jene erwerbliche Situation, in der sich die versicherte Person befinden würde bzw. befinden könnte, wenn sie in ihrer Gesundheit nicht beeinträchtigt wäre. Diese hypothetische erwerbliche Situation wird als Validenkarriere bezeichnet. Ausgehend von dieser Validenkarriere wird das Valideneinkommen ermittelt. Der Beschwerdeführer hat gemäss den Angaben seiner Beiständin den Beruf eines Kondukteurs erlernt und er hat die Zugführerprüfung bestanden. Gemäss den Einträgen in seinem individuellen Beitragskonto (IK) ist er von 1966 bis Juni 1990 für als Kondukteur tätig gewesen. In
den Jahren 1986 bis 1989 hat sein Jahreslohn jeweils über Fr. 60'000.-betragen. Dieser Lohn ist also erheblich höher gewesen als das später bei der B. AG erzielte Einkommen als Chauffeur im Getränkeauslieferdienst. Den Akten lässt sich der Grund für die Aufgabe der Stelle als Zugführer nicht entnehmen. Der Beschwerdeführer hat sich nie dazu geäussert und die Beschwerdegegnerin hat auch keine entsprechenden Nachforschungen angestellt. Der Umstand, dass der Beschwerdeführer nach der Aufgabe der Stelle als Zugführer mehrfach arbeitslos gewesen ist, bevor er bei der
AG wieder eine Dauerstelle gefunden hat, weckt den Verdacht, dass der Beschwerdeführer die Stelle als Kondukteur als Folge seiner Alkoholsucht verloren haben könnte. Da die Alkoholsucht aber rechtsprechungsgemäss (vgl. Rechtsprechung des Bundesgerichts zum Sozialversicherungsrecht, Bundesgesetz über die Invalidenversicherung, 2. A., bearbeitet von Ulrich Meyer, S. 35) keine Invalidität bewirken kann, muss davon ausgegangen werden, dass der Beschwerdeführer selbst dann, wenn die Alkoholsucht tatsächlich die eigentliche Ursache gewesen sein sollte, die Karriere als Zugführer - IV-rechtlich betrachtet aus eigenem Antrieb aufgegeben und durch eine Karriere als Chauffeur/Hilfsarbeiter ersetzt hat. Daran vermag auch der Umstand nichts zu ändern, dass die Alkoholsucht auf dem Boden einer Depression bestanden hat. Ob dieser Umstand in den Jahren bis 1990 den Beschwerdeführer objektiv daran gehindert haben könnte, die Alkoholsucht zu überwinden, lässt sich nämlich in antizipierender Beweiswürdigung medizinisch nicht mehr ermitteln. Aus dem Umstand, dass der Beschwerdeführer die Karriere als Zugführer eigenverantwortlich aufgegeben hat, folgt nun aber entgegen der Auffassung der Beschwerdegegnerin - nicht, dass die bei der B. AG ausgeübte Tätigkeit als Chauffeur die Validenkarriere sein muss. Wäre der Beschwerdeführer nämlich (mit Ausnahme der Alkoholsucht und einer allfälligen Depression) gesund geblieben und wäre ihm gleichzeitig eine Hilfsarbeit offeriert worden, mit der er einen dem schweizerischen Durchschnitt entsprechenden, höheren Lohn erzielt hätte, so hätte er bei der B. AG gekündigt und die besser entlöhnte Stelle angenommen. Die gegen das Risiko der Invalidität gemäss Art. 8 Abs. 1 ATSG versicherte "Validität" des Beschwerdeführers besteht also nicht in der zuletzt für die B. AG ausgeübten Tätigkeit, sondern in einer dem schweizerischen Durchschnitt entsprechend entlöhnten Hilfsarbeit in irgendeiner Branche. Diese Validenkarriere liefert als Valideneinkommen den Zentralwert der Hilfsarbeiterlöhne aller
Branchen gemäss der Tabelle TA1 im Anhang zu der vom Bundesamt herausgegebenen schweizerischen Lohnstrukturerhebung.
Der Beschwerdeführer ist nach der Aufgabe der Stelle bei der B. AG keiner Erwerbstätigkeit mehr nachgegangen. Seine Invalidenkarriere kann deshalb nur hypothetisch bestimmt werden. Da schon aufgrund der kurzen verbleibenden erwerblichen Aktivitätsdauer keine Umschulung möglich ist, kann die Invalidenkarriere nur in einer Hilfsarbeit bestehen. Diese Hilfsarbeit muss aus orthopädischer Sicht bestimmte Kriterien erfüllen: Sie muss zu mindestens 80% der Zeit im Sitzen ausgeübt werden können, sie darf kein Lastenheben -tragen über 20 kg und kein Treppenoder Leiternsteigen beinhalten und sie darf nicht zu häufigen Rotationsbewegungen zwingen. Hilfsarbeiten, die diese Kriterien erfüllen, sind nicht auf bestimmte Branchen beschränkt. Es sind auch keine anderen Gründe erkennbar, die auf eine bestimmte Branche als die für den Beschwerdeführer geeignetste hindeuten würden. Die zumutbare Invalidenkarriere ist also nicht branchenspezifisch, so dass auch bei der Ermittlung des zumutbaren Invalideneinkommens vom schweizerischen Zentralwert der Hilfsarbeiterlöhne aller Branchen ausgegangen werden muss. Die Beschwerdegegnerin ist der Auffassung, dass der Beschwerdeführer in einer orthopädisch adaptierten Hilfsarbeit mit überwiegender Wahrscheinlichkeit zu 100% arbeitsfähig sei. Der Beschwerdeführer betrachtet sich selbst als zu 100% arbeitsunfähig, wobei ihm aber nicht klar zu sein scheint, dass die zumutbare Invalidenkarriere nicht in der früheren Tätigkeit im Getränkelieferdienst, sondern in einer der Behinderung bestmöglich Rechnung tragenden Hilfsarbeit besteht. Die Beschwerdegegnerin stützt sich bei ihrer Bemessung des zumutbaren Invalideneinkommens auf die Angaben im Bericht des Spitals Grabs vom 4. Mai 2009 (IV-act. 96-3). Dieser Bericht stammt zwar von einem Orthopäden (Dr. H. ), beinhaltet aber trotzdem eine überzeugende Beurteilung der gesamten somatischen Situation. Die Arbeitsfähigkeitsschätzung (100% bei einer rein sitzenden Tätigkeit) vermag deshalb aus rein somatischer Sicht zu überzeugen. Die psychische Gesundheit des Beschwerdeführers ist nicht derart beeinträchtigt, dass sich eine Arbeitsunfähigkeit ergeben würde, die mit einer zumutbaren Willensanstrengung nicht mehr zu überwinden wäre. Das ergibt sich aus dem Bericht der Klinik Valens vom 30. Januar 2009 und insbesondere aus dem am gleichen Tag erstellten Austrittsbericht dieser Klinik (IV-act. 89). Die Rehabilitationsbehandlungen der Klinik Valens beruhen auf einer medizinisch umfassenden Beurteilung des
Krankheitsgeschehens. Besteht zusätzlich zur somatischen Erkrankung auch eine psychische Beeinträchtigung, so wird die Behandlung auch darauf ausgerichtet. Die im Austrittsbericht enthaltene Liste weist keine psychiatrische Diagnose auf. Das lässt darauf schliessen, dass keine Beeinträchtigung der psychischen Gesundheit des Beschwerdeführers vorliegt. Daran vermag auch die Behauptung des Beschwerdeführers in der Replik (act. G 11) nichts zu ändern, sei Psyche sei schon lange "am Ende" und die Suizidgedanken hätten sich in der letzten Zeit "mehrfach gehäuft". Es ist nämlich durchaus nachvollziehbar, dass die Abweisung des Rentenbegehrens beim Beschwerdeführer, der sich in einer persönlich und finanziell stark belastenden Situation befunden hat und wohl immer noch befindet, eine depressive Verstimmung ausgelöst hat. Es fehlt aber ein Hinweis darauf, dass bis zum Zeitpunkt des Erlasses der angefochtenen Verfügung eine psychisch bedingte Arbeitsunfähigkeit bestanden hätte. Die Beschwerdegegnerin hat deshalb auf eine psychiatrische Abklärung verzichten können, ohne damit ihre Abklärungspflicht zu verletzen. Die Arbeitsfähigkeitsschätzung von Dr. G. (act. G 6.2) bezieht sich mit überwiegender Wahrscheinlichkeit auf die zuletzt ausgeübte, nicht behinderungsadaptierte Erwerbstätigkeit und ist deshalb im Zusammenhang mit der Bemessung des Invalideneinkommens nicht von Bedeutung. Zusammenfassend steht mit dem Beweisgrad der überwiegenden Wahrscheinlichkeit fest, dass der Beschwerdeführer trotz seines angeschlagenen Gesundheitszustands in einer behinderungsangepassten Erwerbstätigkeit zu 100% arbeitsfähig ist. Da das Validenund das zumutbare Invalideneinkommen nach ein und demselben statistisch erhobenen Durchschnittslohn zu bemessen sind, kann sich der Einkommensverglich auf einen Prozentvergleich beschränken. Der Beschwerdeführer weist für einen potentiellen Arbeitgeber trotz der vollumfänglich erhaltenen Arbeitsfähigkeit gewisse Nachteile auf, die betriebswirtschaftlich als zusätzliche Lohnnebenkosten zu qualifizieren sind. Im entsprechenden Umfang müsste der Beschwerdeführer seine Arbeitskraft also "billiger", d.h. zu einem unterdurchschnittlichen Lohn offerieren, um mit gesunden Konkurrenten für einen adaptierten Arbeitsplatz gleichziehen zu können. Zu diesen Nachteilen gehören etwa die Befürchtung überdurchschnittlicher Krankheitsabsenzen und die Beschränkung des Einsatzes des Beschwerdeführers auf bestimmte, behinderungsadaptierte Arbeitsplätze. Die Beschwerdegegnerin hat diesen Nachteilen in ihrer Beschwerdeantwort ermessensweise mit einem Abzug von 15%
Rechnung getragen. Es besteht kein Anlass, das zu beanstanden. Demnach beläuft sich der Invaliditätsgrad des Beschwerdeführers auf 15%. Die Beschwerdegegnerin hat also im Ergebnis zu Recht einen Rentenanspruch des Beschwerdeführers verneint.
3.
Demnach ist die Beschwerde abzuweisen. Das Beschwerdeverfahren in IV-Sachen ist kostenpflichtig. Die Höhe der Gerichtsgebühr richtet sich nach dem Verfahrensaufwand (Art. 69 Abs. 1bis IVG). Dem durchschnittlichen Verfahrensaufwand entsprechend wird die Gerichtsgebühr auf Fr. 600.-festgesetzt. Da dem Beschwerdeführer die unentgeltliche Rechtspflege bewilligt worden ist, verzichtet das Versicherungsgericht auf die Erhebung dieser Gerichtsgebühr. Sollten sich die wirtschaftlichen Verhältnisse des Beschwerdeführers in Zukunft so verändern, dass sie die Bezahlung der Gerichtsgebühr gestatten würden, bestünde eine Nachzahlungspflicht (Art. 99 Abs. 2 VRP i.V.m. Art. 123 ZPO).
Demgemäss hat das Versicherungsgericht im Zirkulationsverfahren gemäss Art. 39 VRP entschieden:
Die Beschwerde wird abgewiesen.
Der Beschwerdeführer wird von der Bezahlung der Gerichtsgebühr in der Höhe von Fr. 600.-befreit.
Bitte beachten Sie, dass keinen Anspruch auf Aktualität/Richtigkeit/Formatierung und/oder Vollständigkeit besteht und somit jegliche Gewährleistung entfällt. Die Original-Entscheide können Sie unter dem jeweiligen Gericht bestellen oder entnehmen.
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